WEIHNACHTSBESINNEN

Erinnerst du dich noch, wie wir als Kinder
uns auf das Christfest, uns zur Weihnacht freuten?
Vergingen doch die Tage hin geschwinder !
Und wir erzählten oft selbst fremden Leuten,
was wir uns wünschten oder gerne hätten.
Ja, wir versuchten dann, recht brav zu werden.
Wir putzten Schuhe, machten unsre Betten
und gaben keinen Anlass zu Beschwerden.

Wir schrieben Wunschnotizen, ja, Wunschbriefe
in der uns damals eigenen Bescheidenheit.
Wenn man sich die heut’ in Erinn’rung riefe,
erklärte man sich bald zu manch Verzicht bereit.
Die Briefe legten wir diskret ins Fenster,
vors Haus, ins Nachtkästchen, in unsre Schuhe.
Ans Christkind glaubten wir wie an Gespenster
und wahrten Anstand, Duldsamkeit und Ruhe.

Bei uns am Land kam anfangs noch der Weihnachtsmann.
Wir warteten des Nachts auf seinen Schlitten.
Doch stellte er sich stets geschickt und heimlich an,
so dass wir meist zuvor in Träume glitten.
Indem wir Heu vom nahen Bauern streuten,
vermeinten wir, die Pferde anzuhalten.
Blieb dann das Heu zurück, hieß es, sie scheuten
Knecht Ruprecht, diesen ungestümen Alten.

Auch konnt’ es unsern Eltern lang gelingen,
dass wir der Mär vom Christkindlein vertrauten,
den Tannenbaum an uns vorbei zu bringen,
samt Liebesgaben, wie sehr wir auch schauten!
Manch einer von uns war gewieft und aufgeweckt
und war versucht, dem Christkind aufzulauern.
Doch die Geschenke waren vorbildlich versteckt.
Wie lang wird’s noch, bis wir sie sehen, dauern?

Wie harrten wir mit Ungeduld der Weihnachtsnacht
und stellten uns den Baum im Lichterglanze vor!
Die Krippen wurden jetzt vom Speicher hergebracht.
Und über Esel, Ochs stieg der Komet empor.
Wir reinigten die schon vom Staub bedeckten Hirten
und hüllten Josef und Maria ein in Moos.
Woher die Heiligen Drei Könige auch irrten,
wir teilten ihre Freude ob dem Kind, die groß.
Indes das Christkind leis’ die Tanne schmückte,
lief ich im Haus unruhig, aufgeregt umher,
bis ich mich schnell ans Schlüsselloch hin bückte.
Doch fiel mir, irgendetwas zu erkennen, schwer.
Großmutter war’s, die den Familienkarpfen kochte,
und später Mutter, die die Weihnachtsgans anbriet.
Ich knetete der Kerzen Wachs, und mit dem Dochte
gar spielte ich, bis man mir, nicht zu zündeln, riet.

Und alsbald saßen wir vereint beim Weihnachtsmahl.
Wir Kinder rührten ungerührt die Suppe,
vermuteten voll Freude der Geschenke Zahl.
Ermahnte meine Schwester nicht die Puppe?
Beim Karpfengang verbot man uns zu sprechen,
damit wir uns an Gräten nicht verschluckten.
Versuchten wir, das Schweigen erst zu brechen,
rieb Vater auf, so dass vor Angst wir zuckten.

Am alleraufregendsten war der Augenblick,
wenn der Bescherung Silberglöckchen hell erklang:
Wir sausten wild hinein, bevor uns jemand schick’,
bewunderten die Kerzen, schwiegen vorerst lang,
eh’ wir in ausgelassenes Geheul ausbrachen.
Ganz übermütig stimmten wir in Lieder ein,
weil all die bunten Päckchen unterm Baum versprachen,
sie würden Lohn für langes Warten sein.

Als wir dann „Stille Nacht, Heilige“ sangen,
da waren wir schon wieder ernst, besonnen.
Wenn stürmisch wir in unsern Vater drangen,
hat aus der Bibel vorzulesen er begonnen.
Wie wir die Glitzerkugeln und das Glas bestaunten,
gefiel das Sprühen uns, der Wunderkerzen.
Geschenkvermutungen, die wir uns keck zuraunten;
die ließen unsre Eltern drüber scherzen.

Von ihren Gaben riss die Schwester das Papier,
ich packte meine vorsichtig, mit Andacht aus.
Wir dankten sehr. Unsagbar glücklich waren wir,
und dann verließen wir, warm eingehüllt, das Haus.
So unvergesslich ist der Abend, sind die Stunden,
da wir zur Kirche gingen, zur Christmette,
wo wir den Weihnachtsfrieden spürten – und gefunden.
Wenn ich mich öfter doch daran erinnert hätte!

 

H. H. HADWIGER