KULTURZONE-WETTBEWERB: "ein schöner Anblick“ – eine Bildbeschreibung

Aus dem Zyklus: „Upat II“

Joanna Monasterska hat uns am 14.8.2010 ein im Jahr davor gemaltes Bild (20 x 30 cm in Acryl, wenn nicht gar Öl) geschenkt, am 15.8.2010 mit der Post zugestellt, von dem wir nicht recht wissen, was es darstellt.

Freilich vorstellen können wir uns – jeder für sich – was Eigenes, aber träfen wir damit das, worauf die Malerin abstellt?

Nein, bestellt haben wir das Bild nicht; aber wir haben uns so angestellt, als wäre es für uns die Welt. Und nun müssen wir uns darauf einstellen. Darum hat sie, was sie selbst hergestellt, für uns hingestellt, obwohl sich unsere Sicht darauf so verstellt, dass wir nicht verstehen, wer hier wem nachstellt, wird doch darauf einer Frau eine andere beigestellt:

Eine nackte, faszinierende, gar nicht so unschöne Frau, liegt am Rand eines Gewässers, nicht einmal am Ufer eines Sees, nur im Schilfgürtel, freilich ohne Gürtel, weil eben nackt.

Sie ist uns zugewandt, freilich ohne Gewand, aber die linke Brust ist durch einen Korb, der im Wasser schwimmt, abgedeckt.

Ihr Haar ist schwarz und wallt vom Kopf, allein ihr Schamhaar ist moosgrün, dunkelgrüner als das Schilf dahinter.

Ihr Gesicht trägt – wir wissen das, weil wir sie kennen – die Züge der Malerin, autoporträtiert. Ihr rechter Arm ist schlank und überlang und wendet sich einer im Wasser links davon stehenden Frauensperson fortgeschrittenen Alters zu, in petrolfarbenem Gewand. Jene gibt dieser die Hand und blickt sie an, unverwandt, die ohne Gewand, ohne mit ihr verwandt zu sein. Ihr Haar ist kohlrabenschwarz, ähnlich dem der nackten Frau, nur ihre Miene ist grau.

Diese Frau sieht nicht wie eine Lebensspenderin, eher wie eine Todesbotin aus. Weit und breit ist nämlich kein Boot, mit dem sie die im Schilf Ruhende retten könnte.
Die petrolfarben-gewandete Frau mit dem Teint in Grau steht bis zur Hüfte im Wasser. Je länger man sie ansieht, desto mehr überkommt einen die Ahnung, es handle sich dabei – schon fällt uns die Ähnlichkeit frappant auf – um die Künstlerin selbst im hohen Alter, die der Jugendlich-Nackten von heut‘ hilfreich die Hand beut.

Sicher weiß sie der Unbedeckten-Unbeleckten (vermutlich auch Unbefleckten) einen nützlichen Rat, warum sonst blickte die Liegende die aufrecht Stehende so starr und unverwandt an?

Der Rat allerdings, den sie erhält, kann nicht nur ein gut gemeinter, sondern auch ein aufgeschlossen-heiterer sein, da sich die liebliche Miene der Jungen angesichts der ernsthaft-gräulichen der Alten nicht ändert, sie vielmehr gleich lieblich anhaltend in sich hineinlächelt.

Das Wasser, in dem die betagte Frau in Petrol steht, hat – im Bildvordergrund – eher seicht als tiefgründig bereits die Farbe der darin Stehenden angenommen, als hätte ihr Gewand abgefärbt: So petrolfarben ist es, wenn auch mit einem Anflug ins Kupfervitriolhafte.

Den Korb, der der Liegenden linke Brust abdeckt, umspielen hellere Wellen, mit einem leicht ins Gelb gehenden Stich. Nichts daran verrät, was sich im Korb befindet, aber sehr schwer kann es nicht sein, sonst schwämme der Korb nicht, sondern sänke (wenn ich das recht und schlecht bedenke!).

An den eng um die Nackte geschlossenen Schilfgürtel schließt übergangslos ein in hellerem Grasgrün gehaltener Wiesengrund an, der die untere Hälfte der oberen Hälfte des Bildes ausfüllt, also das dritte Viertel von vorne. Darin haben sich manch eidottergelbe Kleckse verloren, von der Malerin – nämlich der außerhalb des Bildes Befindlichen und nicht von einem ihrer beiden Abbilder im Bilde – zweifellos als Blumen angedacht. Blassere, graugrüne Striche dazwischen stellen wohl höhere Gräser dar, für Büsche und Sträucher sind sie zu schmal und zu mattgrün.

Das Wasser des Teiches im Vordergrund wäre gewiss seegrün, hätte es nicht die Farbe des Gewandes der altklugen Malerin links im Bild angenommen
Der Bildhorizont ist in dunkle Nacht getaucht, vor deren Hintergrund wir schemenhaft die flaschengrünen Konturen von Bäumen – acht oder neun augenscheinlich – ausnehmen. Manche ihrer ins Olivgrün schattierenden Äste scheinen von heftigem Wind bewegt: aufwühlender Kontrast zum ruhigen Gegenpol der einander im Vordergrund ins Auge fassenden Verkörperungen der Künstlerin selbst in verschiedenem Alter.

Umso eindringlicher fragen wir uns, was wohl die reife Malerin in Petrol der unreifen Unbekleideten als Hilfe für ihren weiteren Lebensweg wird mitgeben wollen. Wird sie sie vor den – noch nicht ins Bild gekommenen oder schon aus dem Rahmen gefallenen – Männern warnen, diese nicht zu umgarnen? Wird sie Zweifel an deren Schwimmfähigkeit äußern, ehe sich die Ruhende in die Fluten wirft? Wird sie bitten, ihr vom Inhalt des Korbes zu geben, den wir  nicht kennen? Wird sie wissen wollen, wo die Leichtfüßige leichthin ihre Kleider leichtsinnig abgelegt hat?

Aus der Schönheit verständigen Miene wird uns klar, dass der Ratschlag nicht anders lauten kann als:

„Die allmählich herabsinkende Nacht wird kühl und vermag deine fleischrosafarbenen Schenkel nicht mehr zu bräunen. Mädchen, ich, in deinem Alter, zöge mich an!“

H. H. HADWIGER