JA, WILLST DU DENN KEIN SCHWESTERCHEN?

Laurenz war ein Einzelkind,
und er spielte viel allein,
denn – wie Einzelkinder sind –,
wollte er bestimmend sein.

Schafft‘ er an in strengem Ton,
ließen ihn die andern stehen;
ja, sie liefen ihm davon.
Soll er, wo er bleibt, doch sehen!

Und obwohl er aufgeweckt,
haben sie zum Überdruss
ihn, dass er allein, geneckt,
was er erst verkraften muss.

Traurig wurde er und trister,
während er all die beneidet,
die zu zweit sind und Geschwister
haben, woran Laurenz leidet.

Hätt‘ gern Bruder oder Schwester,
um nicht mehr allein zu sein.
„Das ist nicht so leicht, mein Bester!“,
werfen seine Eltern ein.

Zucken mit den Schultern, wiegen
ihren Kopf, seh’n sich nicht raus:
„Leicht ist ’s nicht, ein Kind zu kriegen,
gibt es nicht im Warenhaus!“

Laurenz fragt noch nicht: „Wo denn?“,
stellt sich nur geduldig an:
„Ich hätt‘ gern ein Schwesterchen.“
„Gut, wir arbeiten daran!“

„Wann denn? Abends? In der Früh‘?“,
will der Knirps bald vorlaut wissen.
„Kostet das denn so viel Müh‘?“
Drauf der Vater sehr beflissen:

„Anfangs ist es ein Vergnügen,
kostet es auch später Geld.
An sich würde mir genügen,
dass mich ’s freut und mir gefällt.

Allerdings, schafft man sich’s an,
kommen weitere Probleme.
Damit ist ’s noch nicht getan,
dass man ’s plan‘ und ernst auch nehme.

Darf man sich dabei entfalten,
wenn es nur erst eingeleitet,
muss man es sodann erhalten:
Wer den Unterhalt bestreitet?

Das erwächst zu einer Frage,
worauf andre Fragen zielen,
die man nur zu ahnen wage.“
Laurenz aber will bloß spielen.

Kinderkriegen ist kein Spiel,
soll verantwortlich geschehen.
In Verantwortung zu gehen,
sagt dem Laurenz noch nicht viel.

„Kann man sich ein Kind nicht borgen,
so, als wäre es geliehen?“
„Nein, man hat dafür zu sorgen,
muss – so gut es geht – erziehen.“

Wenn er nur „Erziehung“ hört,
„Schuldigkeit“, „Verpflichtung“, „Pflicht“,
gibt sich Laurenz so empört,
dass auf Schwester er verzicht‘.

Vater sucht, sich zu beeilen:
Manchmal muss man Opfer bringen.
Würd‘ es Laurenz denn zu teilen,
zu bescheiden sich, gelingen?

Wo er sich doch jetzt schon kränkt,
wenn ihm wer sein Spielzeug nimmt.
Insofern er daran denkt,
stört ihn solches ganz bestimmt.

Laurenz, naseweis, altklug,
ist zu Einschränkung bereit:
„Spielzeug hab ich ja genug;
spiel dann nur die halbe Zeit!“

„Schließlich darfst du nicht vergessen,
so ein Kind muss man ernähren!“
„Spende was von meinem Essen!“,
weiß sich Laurenz prompt zu wehren.

„So ein Kind braucht auch ein Bett,
hast es stets um dich, für immer.“
„Ist ’s wie ich, nur halb so nett,
teil ich gern mit ihm mein Zimmer!“

„Wirst du helfen, es zu wickeln,
es zu trösten, wenn es schreit?
Hat es jugendlich gar Pickeln,
tut es dir damit nicht Leid?

Sollte es Geschirr zertrümmern
oder gar dein Zeug beschmutzen,
würdest du dich darum kümmern
und es kleben oder putzen?

Und wär‘ dir nicht dabei bang,
wenn man es verzweifelt fände,
wenn es hinfiel‘, weil es sprang,
oder eines Tags verschwände?“

Würd‘ es suchen, würd ‘s aufheben,
wundversorgen, niederlegen
und – so gut es ginge eben –
heilbehandeln, hegen, pflegen.“

„Wenn es in der Schule ist,
die du selbst besucht schon hast,
nicht so folgsam, wie du bist,
und den Lehrern eine Last?“

„Alles das nähm‘ ich in Kauf,
wenn ich ein Geschwisterl krieg.
Selbst beim Wald- und Wiesenlauf
gönnte ich ihm einen Sieg.“

„Gut! Versprichst du ’s felsenfest,
strengen wir uns für dich an,
dass sich ’s drüber reden lässt,
wie man ’s dir erfüllen kann.“

Laurenz durfte also hoffen,
wie bei einem Zauberspruch.
Als die Oma eingetroffen,
fragt es sie bei dem Besuch:

Ob sie glaube, dass die Eltern,
was versprochen, für ihn machen,
aus – was weiß ich – welch Behältern?
Ha, da musst‘ die Oma lachen.

Kannte sie doch jene Kluft
zwischen Wunsch – Verwirklichung.
Auf den Stiegen schnappt nach Luft
sie, denn sie ist nicht mehr jung.

„Ich muss mich ans Treppensteigen
langsam wieder erst gewöhnen.“
„Oma! Das darfst du nicht zeigen!
Und du darfst dabei nicht stöhnen!

Das darfst du nur im Schlafzimmer,
wenn es niemand sonst beacht‘.
Denn die Eltern machen ’s immer
auch nur dort und in der Nacht!“

„Wenn die Eltern nachts nicht ruh’n
und sich sonst in Schweigen hüllen,
hat das was damit zu tun,
dass sie dir den Wunsch erfüllen.

Wenn sie sich zusammenkuscheln,
still im Schlafzimmer geblieben,
öfter stöhnen oder tuscheln,
dann geschieht ’s, weil sie sich lieben.

Und daraus entsteht vielleicht
ein Geschwisterl, wenn es klappt,
Samenfluss das Ei erreicht.“
Das hat Laurenz aufgeschnappt.

Und er wartet nachts dafür
auf das Stöhnen und Geräusch,
schleicht sich an der Eltern Tür,
dass er sich darin nicht täusch‘.

Als es endet, das Gestöhn,
ruft laut Laurenz, und er lacht:
„Mama, Papa, Dankeschön,
dass ihr mir ein Schwesterl macht!

Seid ihr sicher, ist schon Schluss
mit des Papas Samenfluss,
hat – ich hoff es – er vielleicht
endlich Mamas Ei erreicht?“